Jedes Jahr, zum Frühlingsanfang, wirkt eine besondere Kraft auf diesem Planeten, die die gesamte organisierte Materie durchdringt – vor allem aber uns, die höchste, komplexeste und daher empfänglichste mentale Schöpfungsform: den Erdenmenschen!
Seine hochgespannten Saiten der Geistigkeit schwingen vielfältiger in dem kosmischen Rhythmus mit, als jedwede niedere Form des Leben es vermag.
Eine geheimnisvolle, nur der frühen Frühlingssonne eigentümliche Strahlung bewirkt die erhöhte Strömung der Pflanzensäfte – dieses Lebenselixiers, dem dann Knospen und Triebe und Blätter, einem Wunder gleich entkeimen!
Das Einströmen dieser Sonnenemanation verleiht dem Baum die Kraft, neuen Vorrat an Nahrung durch seine Wurzeln aus der Erde zu ziehen; auch die Kraft, die letzten toten Blätter und Reste des vergangenen Jahres endgültig abzuwerfen.
Auch Tiere und Vögel, besonders in ihrem freien und wilden Zustand, schwingen in diesem Sonnenrhythmus mit.
Sie erneuern Federn und Fell; doch ist dieses äußere Abwerfen verbrauchter Materie nur ein kleiner Teil jenes großen Umwandlungsprozesses, der durch den ganzen Organismus geht und jede Zelle durchdringt.
Unser menschlicher Körper unterliegt dem gleichen Gesetz: Zu Ende des Winters, an der Frühlingsgrenze, machen auch wir ebenfalls eine Art “ Mauser“ durch! Wir werfen alte, tote Materie ab und nehmen neue in uns auf, vorausgesetzt, dass wir der regenerierenden Kraft überhaupt Gelegenheit geben, in günstigster Weise auf uns zu wirken: Das heißt: wenn wir aufhören mit Leib und Geist aktiv zu sein und uns Ruhe gönnen, wie es auch die Tiere zu dieser Periode tun.
Das neue Fell, die Federn, frische Hautzellen, der veränderte Kreislauf in allen organischen Wesen - die frischen Knospen, Blätter und Zweige sind der sichtbare Ausdruck jener unsichtbaren wundersamen Erneuerungskraft.
Die Indianer nennen Februar und März die „schwachen Monate“. Sie sind schärfere Beobachter der Natur als wir Menschen der westlichen Zivilisation. Wer noch einen Bezug zur Ursprünglichkeit hat, erfühlt intuitiv das Bedürfnis des Körpers nach Inaktivität, Müdigkeit und Ruhe - eine Grundvoraussetzung, damit diese erneuernden, regenerierenden und erschaffenden Kräft überhaupt wirken können.
Um der vollen, uneingeschränkten Wohltat dieser großen Kraft teilhaft zu werden, muss ein Mensch ruhen, sobald er das Bedürfnis danach empfindet, – sei es um Mittag oder Mitternacht!
Wer sich zur Anstrengung zwingt, geistig oder leiblich, wer durch bloßen Willen gegen den Instinkt weiterarbeitet, wie Tausende und Abertausende es heute tun und zu tun gezwungen sind - aufgrund unsern unnatürlichen Lebensbedingungen, der hält die regenerierende Kraft von sich ab, schädigt und beeinträchtigt frevelhaft ihr Wirken!
Würden die Menschen wenigstens der Idee von der regenerierenden Frühlingskraft ohne Spott und Hohn, dafür mit Respekt gegenüberstehen, gleichwohl ob sie daran Glauben können oder nicht – aber schon solch eine respektvolle Haltung würde ihnen große Hilfe bringen!
Jede lebendige Wahrheit, die beim ersten Auftreten nicht brutal aus dem Gehirn hinausgeworfen wird, treibt mit der Zeit kleine Wurzeln, beginnt zu leben, beweist ihre Daseinsberechtigung durch positive Umstände, die sich aus ihr ergeben.
Menschen, die hart arbeiten, erlahmen weit früher oder gehen rascher zugrunde als andere. Die Widerstandskraft eines abgehärteten Bergmanns zum Beispiel, dauert oft nur wenige Jahre, mit fünfundvierzig oder fünfzig Jahren ist er ein alter Mann, ein Wrack.
Im ganzen Königreich der Natur wechseln immer Perioden der Aktivität, mit denen absoluter Ruhe ab.
Die Zirkulation im Pflanzenreich ruht im Winter, und auch die Tiere tun danicht viel mehr als essen und schlafen, sogar der Boden ruht frischer Saat entgegen. Würde sich auch der Mensch dem natürlichen Rhythmus anpassen und sich die notwendige Ruhe gönnen, e rwürde aufleuchten in geistiger und physischer Wiedergeburt, – Sinne und Kräfte würden in ihm wach werden, deren Existenz heute noch von vielen gänzlich geleugnet wird.
Der westliche Zivilisations-Mensch ist jedoch dem Aberglauben anheim gefallen - nichts vollbringen zu können, ausser durch Hetzen, Rastlosigkeit und Mühe! Wenn der Mensch nur bergreifen würde, dass im Zustand der Ruhe sein Gedankenkräfte schöpferisch in die Ferne wirken und ihm hundertfach das zu Füßen legen, was er sich wünscht, wäre der gesamten Existenz geholfen.
Er würde mühelos und spielerisch das erreichen, was durch äußere Anstrengung und Plagerei niemals erreichbar sein wird.
Der heilenden und regenerierenden Kraft des Frühlings keinen kontemplativen Raum und keine Möglichkeit für ihre Wirkung zu geben, ist so ruinierend, wie die jungen Triebe eines Baumes zu beschneiden.
Viele mögen einwenden: „Aber wie können wir unsere Geschäfte im Stich lassen und uns brotlos machen, nur um den Körper in die „Frühlingsreparatur“ zu geben?“ Menschliche Satzungen entsprechen eben nicht den natürlichen bzw. den göttlichen Prinzipien.
Wenn die Natur das Machtwort: „Ruhe“ spricht und der Mensch erwidert: „Arbeit und Stress“, so wird am Ende immer der Mensch den Schaden davon tragen.
Die Notwendigkeit einer Sache erkennen, macht sie schon halb und halb möglich; das Bedürfnis nach ihr, das intensive Verlangen sind an sich ein Gebet – eine Kraft, die Hilfe bringt und uns allmählich hinausgeleitet aus den schädlichen Lebensbedingungen. Das ist die Keimzelle alles Werdens, alles Fortschrittes in ein höheres und würdigeres Leben!
Jeus Christus hat dieses Gesetz in die Worte gekleidet: „Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan.“ Er hat es wissentlich unterlassen, dieses Mysterium zu erklären und zu sagen, woher es kommt und dass aus jeder hohen Aspiration, aus jedem ernsten Gedenken, aus jedem wahrhaftigen Wollen - Erfüllung wird!
Es ist es von Natur aus gegeben, alle die unbegreiflichen lebendigen Kräfte bewusst zu nützen, egal ob uns auch ihre letzten Quellen verborgen bleiben. Die Erscheinungsform der Bäume und Tiere unterliegen dem Verfall - aus Mangel an diesem Wissen. So sind auch wir bisher verfallen! Der letzte große Feind, der besiegt werden muss, ist aber der Tod!
In dem Maße, wie der Mensch durch Wissen diese Wunderkräfte um und in sich steigert, lernt er, in der Linie des höheren Lebens mitzuschwingen, sich in Harmonie zu bringen und die Urkräfte verantwortungsvoll für sich zu nutzen. Es wird ihm möglich sein, die sterblichen Anteile seines Wesens - in unsterbliche, feinstofflichere Formen zu verwandeln: ein Prozess, einmal in Gang gesetzt, der ohne Unterlass die körperlichen Strukturen aus immer feineren Elementen neu erbaut.
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